Montag, 30. September 2013

Charles Bradley: Soul of America


Es ist eine dieser Lebensgeschichten, die man kaum glauben kann. Ein Musik-Märchen, das sich Hollywood-Drehbuchautoren nicht besser, dramatischer, spannender hätten ausdenken können. Wer "Searching for Sugarman" mochte, wird auch "Soul of America" lieben. Denn die Lebensgeschichte von Charles Bradley ist genauso emotional und unfassbar.

Eine unglaubliche Erfolgsgeschichte
Quelle: imdb.com

Von der Hochhaussiedlung in Brooklyn in die Top 50 Alben des "Rolling Stone" 2011. Nach 42 Jahren, in denen Bradley der Durchbruch als Sänger verwehrt bleibt, veröffentlicht er mit 62 Jahren sein Debütalbum - und ist seitdem einer der angesehensten Soulsänger unserer Zeit. "Charles Bradley - Soul of America" erzählt von der Entstehungsgeschichte seines Erstlingswerks "No Time For Dreaming" und von Bradleys Leben: von der Mutter verlassen, führt er schon als Jugendlicher ein Dasein in Armut. Mit 14 Jahren versucht der Junge, die kalten Winternächte in U-Bahnen zu überleben; er schrammt knapp an der Drogenabhängigkeit vorbei und macht eine Ausbildung zum Koch. Und dann beginnt die musikalische "Karriere". Da er aussieht und singt wie James Brown, tritt er fortan als "Black Velvet - James Brown Junior" auf. Bradley tingelt fast ein halbes Jahrhundert lang mit Perücke und Cape wie sein großes Vorbild durch die Clubs und Kneipen Brooklyns  - und singt die Hits des Soul Brother Nr. 1.


Charles Bradley in seinem Element
Quelle: thegridto.com
Bis er an seinem 62. Geburtstag beschließt, sich selbst neu zu erfinden. Endlich probiert er, mit eigenen Songs erfolgreich zu sein - und hat damit schließlich Erfolg. Wie Bradley sich den Schmerz und das Leid aus der Seele singt, sieht man in diesen 75 Minuten. Und selten ist ein Dokumentarfilm seinem Protagonisten so nahe gekommen - selten ist man als Zuschauer so privat, so persönlich mit dabei, selten auch hat ein Sänger so ehrlich und offen über sich, sein Leben und seine Probleme gesprochen. 


Wir begleiten Bradley, dessen Leben sich einzig und allein um seine Mutter dreht, beim Schuhe kaufen, beim Frisör, im vollgerümpelten Keller und sind auch mit dabei, wenn eine Privatlehrerin versucht, Bradleys Lese - und Schreibniveau, das mit dem eines Erstklässlers vergleichbar ist, zu verbessern. Und natürlich sehen wir den Star, der eigentlich alles andere als ein Star ist, in seinem Element auf der Bühne. Wir sehen den Schweiß und die Tränen - wir sehen einen Soulsänger, der uns wirklich einen tiefen Einblick in seine Seele gibt.

Der Film ist erst vor einem Monat in den USA auf DVD erschienen und in Deutschland bis jetzt nur als Import zu bekommen. Gestern aber lief der Film auf Servus TV - und ist momentan in der Mediathek zu sehen. Unbedingt gucken!

Freitag, 27. September 2013

Zum Vorfreuen & Nachhören (1) - Doku zu den legendären "Muscle Shoals"-Studios, 23 unveröffentlichte Songs von Donny Hathaway, Gilles Peterson legt Italo-Western-Sounds auf & eine musikalische Reise nach Bamako


"Muscle Shoals" - von Aretha Franklin über die Stones zu Alicia Keys

Am 25.10. startet "Muscle Shoals" in UK
Quelle: http://muscleshoals.co.uk
Muscle Shoals ist nicht nur ein 12.000-Einwohner-Städtchen in Alabama, sondern auch der Name eines legendären Studios. Aretha Franklins "Respect" und "Brown Sugar" von den Rolling Stone wurden hier aufgenommen, hier wurde von der Muscle Shoals Rhythm Section der Muscle Shoals Sound geprägt. Auch Wilson Pickett, Clarence Carter und die Staple Singers haben sich für legendäre Einspielungen im 3614 Jackson Highway eingefunden. 


Clarence Carter in Muscle Shoals
Quelle: http://muscleshoals.co.uk


Amerikanische Pop-, Rock- und vor allem Soulgeschichte wurde also in diesen heiligen Hallen geschrieben. Genug Stoff für eine Dokumentation, die im Januar dieses Jahres bereits auf Robert Redfords großartigem Independent-Festival, dem Sundance Filmfestival, gezeigt wurde und immerhin bald in Großbritannien, nämlich am 25. Oktober, in die Kinos kommt. Schlicht und einfach "Muscle Shoals" betitelt, berichten Musik-Größen wie Bono, Clarence Carter, Mick Jagger, Etta James, Alicia Keys, Keith Richards, Percy Sledge und Aretha Franklin von diesem legendären Ort. Hoffen wir auf einen baldigen deutschen Kinostart!




Donny Hathaway - im November erscheinen 23 bisher unveröffentlichte Songs

Seinen Namen muss man in einem Atemzug mit Soul-Helden wie Marvin Gaye oder Curtis Mayfield nennen: Donny Hathaway. Ein unfassbar talentierter Musiker, der zahlreiche Instrumente selbst einspielte, ein einfallsreicher und einfühlsamer Arrangeur und Produzent und mit einer Gänsehaut erzeugenden Stimme gesegnet. Nach nur einer Handvoll Alben und einigen hochkarätigen Singles und Zusammenarbeiten mit anderen Künstlern ist der an Depressionen leidende Künstler viel zu früh mit nur 34 Jahren aus dem fünfzehnten Stock eines Hotels in New York gesprungen. Ein tragisches Ende. 

Die Donny-Hathaway-Anthology
Quelle: http://donnyhathaway.blogspot.de

Auch wer alle von Hathaway produzierten LP's und Singles besitzt, dürfte schon jetzt ein leichtes Bauchkribbeln verspüren beim Blick auf eine 4-er-CD-Box, die am 08. November erscheinen wird. Denn auf dieser umfassenden Zusammenstellung namens "Never My Love: The Anthology" finden sich nicht nur sämtliche Hits und gesuchten Singles, sondern auch 23 bisher unveröffentlichte Aufnahmen Hathaways. Dazu gibt es einen umfangreichen Essay über Hathaways Leben und Musik vom Musik-Journalisten Charles Waring sowie seltene Aufnahmen des Sängers. Kann man für aktuell faire 26 Euro vorbestellen. Young, Gifted and Black!





Gilles Peterson legt Spaghetti-Western-Perlen auf

Gilles Peterson zaubert Morricone, Bacalov & Umiliani auf den Plattenteller
Quelle: http://www.gillespetersonworldwide.com/gilles-peterson/radio/
Ach, hätte der Tag nur 48 Stunden. Dann könnte man außer zu arbeiten und zu schlafen noch ausgiebig Filme gucken, Bücher lesen und Platten hören. Und dann hätte man auch genügend Zeit, um sich alle Mixe von Gilles Peterson anzuhören. Der in Frankreich geborene Brite ist DER europäische DJ überhaupt. Mitte der 80er-Jahre hat er den Begriff des Acid Jazz geprägt, zusammen mit seinem Freund und DJ-Kollegen Eddie Piller das inzwischen legendäre Acid Jazz Label gegründet, danach das nicht minder legendäre Label Talkin' Loud ins Leben gerufen und Platten von Courtney Pinne, 4Hero, Inkognito, Soul & Folk-Gott Terry Callier und Galliano veröffentlicht. 

Gilles Peterson  - Worldwide am Start
Quelle: soundwall.it
Mittlerweile legt Peterson in Clubs auf der ganten Welt auf und schafft es tatsächlich Woche für Woche unbekannte Musik-Perlen auf die Plattenteller zu legen, in seiner samstags von 15 bis 18 Uhr auf BBC 6 ausgestrahlten Sendung. Und diese drei Stunden sind eine stets überraschende, inspirierende und herrlich abwechslungsreiche Reise durch Hip Hop, Dub, Reggae, Jazz, Broken Beat, Drum and Bass, Soul und Funk. 

Letzten Samstag zauberte Peterson einige wunderbare Spaghetti-Western-Perlen von Morricone über Bacalov bis zu Umiliani auf den Plattenteller. Bis morgen könnt/sollt/müsst ihr in die Sendung reinhören. Morgen um 15 Uhr wird's dann nicht minder interessant - Peterson hat den großartigen Jazzsänger Gregory Porter zu Gast! 



"Import Export Bamako" - Ein Feature über die Pilgerstätte der Pop-Hipster

Dass Jonathan Fischer dem Herzschlag interessanter Musik folgend schon um die halbe Welt gereist ist, konntet ihr dem letzen "Vinyl Lovers"-Artikel bereits entnehmen. Bereits im letzten Jahr war der Münchner Musikjournalist in Mali auf den Spuren einer höchst vielfältigen und fruchtbaren Club - und Musikszene unterwegs. 

Jonathan Fischer mit Rapper Amkoullel
Quelle: wdr3.de
Inzwischen sind mehrere Artikel von ihm über malische Musiker und deren Schwierigkeiten, zuerst unter der Militär- Diktatur, jetzt unter der Herrschaft der Islamisten, ungestört Songs aufnehmen und spielen zu können, erschienen. Nun gibt es ein gut 50-minütiges Hörspielfeature, das die gesamte Bandbreite der Musikkultur des gepeinigten Landes zeigt. Eine trotz der derzeitigen Lage hoffnungsvoll stimmende, mitreißende und atmosphärische Reise nach Afrika - von den Griots bis zu jungen Rappen. Unbedingt nochmal nachreisen!

Dienstag, 17. September 2013

Vinyl Lovers (2): Jonathan Fischer, Journalist, Trikont-Chefcompiler, Groove-Reisender


"In Deutschland gibt es nicht viele Musikjournalisten, die ein so tiefgründiges Fachwissen afroamerikanischer Musik haben wie Jonathan Fischer. Er spürt in den Ghettos von Los Angeles oder den Townships von Soweto neue Musiktrends auf, bevor sich diese auf ihren Siegeszug um die Welt machen". So hat die Jury des "Goldenen Prometheus" vor sieben Jahren die Nominierung des Münchners als "Printjournalist des Jahres" begründet. Den Preis hat der Musikliebhaber leider nicht bekommen, dafür aber gewinnt er seit Jahren mit seinen interessanten Texten die Aufmerksamkeit seiner Leser. Die freuen sich über Fischers punktgenaue Sprache und über spannende Reportagen aus den Musik-Hauptstädten der Welt. 

Jonathan Fischer: Boxender Journalist,
Musikliebender Maler, Raritäten-DJ
Wenn man in den letzten Jahren in den Feuilletons deutscher Tageszeitungen ausnahmsweise mal etwas über afroamerikanische Kultur im weitesten, die unterschiedlichen Spielarten "schwarzer Musik" im engeren Sinne gelesen hat, dann stand eigentlich immer ein Name darunter: Jonathan Fischer, ob nun in der "Süddeutschen Zeitung", der "FAZ" oder der "Zeit". Um einen Einblick in die lesenswertesten Musiktexte des deutschen Zeitungsmarkts zu bekommen, sei die Zusammenstellung wenigstens einiger seiner Artikel auf der Homepage des umtriebigen "Sound-Schnüfflers" unbedingt und dringend empfohlen. Die Reise geht vom Cajun über den Gospel und Blues, bis zu Soul, Funk und Rap; von New Orleans über Bamako nach Ägypten und wieder zurück nach München.

Dort legt Jonathan regelmäßig auf - einen Musikmix, wie er in Deutschland wohl seinesgleichen sucht: Soul, Reggae, Cumbia. Und als wäre das nicht schon genug für eine ausgefüllte Woche, schafft es Fischer auch noch zu malen (und zwar professionell), zu boxen und den ein oder anderen Sampler für das wunderbare Münchner Label Trikont zusammenzustellen. Auf 18 bisherige Compilations hat es der versierte Kenner der Musikmaterie inzwischen gebracht. Und diese Zusammenstellungen lohnen sowohl wegen der seltenen, gesuchten und inspirierenden Tracks als auch wegen der informativen Liner Notes. Umso mehr freu ich mich, dass Jonathan - gerade von einem weiteren Trip zurückgekehrt  - Zeit gefunden hat, uns den "Vinyl Lovers"-Fragebogen auszufüllen. Danke, Jonathan.


Wann und wie bist du plattensüchtig geworden?
War eher Musik- als Platten-süchtig, aber die LP war eben das Format der Zeit und die tollen Klappcover gaben in der Prä-Video-Ära endlos Stoff zum Fantasieren her...

Was war deine erste Platte?
Status Quo "Blue For You". Meine erste "schwarze" Platte: "American Folk And Blues Festival".

Wie viele Platten hast du insgesamt?
Circa 20 000 Vinylplatten, CDs habe ich nie gezählt.

Was ist deine rarste/teuerste Platte? Und welche Platte bedeutet dir am Meisten?
Ich bewege mich nicht auf den einschlägigen Börsen, weiß nur, dass ich mal 200 Pfund für eine Mike James Kirkland LP  gezahlt habe. Als Soulfan bedeutet mir am meisten: Lou Courtney "I'm In Need Of Love" und alles von O.V. Wright. 

Deine Top 10 aus deiner Plattensammlung
Top 10 Singles in keiner spezifischen Reihenfolge:
George Perkins And The Silverstars "Crying In The Streets"
Luther Ingram "I Can't Stop"
The Knight Bros "Sinking Low"
Sam Baker "It's All Over"
Lynn Vernado "Second Hand Love"

Beschreib doch mal deine Sammlung in 3-5 Worten:
Soul-Blues-HipHop-Latin-Afrika.

Wo hast du schon aufgelegt / wo bist du regelmäßig zu hören? 
Alle Münchner Clubs vom damaligen Babalu über Substanz bis Parkcafe. Momentan mit "Milla Tropical" ( monatlich im Milla, München, und mit "The Big Soul Bowl" zweimonatlich im Pimpernel, München. Bester Münchner Club: Substanz zu seinen Anfangstagen, als die Leute zu Blues auf den Tischen getanzt haben... Momentan: Milla.

Wo gehst du auf Platten-Suche?
Meine Platten habe ich fast sämtlich in großen Thriftstore-Koffern von meinen Trips aus Louisiana, New Orleans, Memphis, Nashville mitgebracht. Im Internet kaufe ich nichts - mir macht das Wühlen Spaß.

Was war dein skurrilstes/schrägstes Plattenerlebnis (beim Plattenkaufen/-auflegen)?
Soul im Max-Emanuel in München: Einige der Besucher zücken ihren Geldbeutel sobald ihnen eine Single besonders gut gefällt, und blättern solange die Scheine nach ("ich muss die heute nacht noch meiner Frau vorspielen"), bis ich widerwillig einschlage... / Schwarze Frau im Soul City: "Hey lass mich die Single sehen... das ist mein Bruder der da singt! Ich fasse es nicht..."

Mit wem würdest Du gerne mal essen gehen (lebende oder bereits gestorbene Personen)?

Samstag, 14. September 2013

Marley Marls "In Control Vol.1" feiert 25. Jubiläum - der Erfinder des Sampling und Produzenten-Gott über die Goldene Ära des Hip Hop


Marley Marl ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Hip-Hop-Geschichte; er hat als einer der Ersten das Sampling entdeckt und war Jahre lang einer der einflussreichsten und einfallsreichsten Produzenten. In der goldenen Hip-Hop-Ära war er der Haupt- und Hausproduzent der Juice Crew und lieferte für deren Mitglieder diverse Beats. Für Big Daddy Kane, Biz Markie, Kool G Rap & DJ Polo, Craig G, Master Ace, Roxanne Shanté und MC Shan. Der inzwischen 50-jährige Marley Marl lieferte darüber hinaus aber auch für Hip-Hop-Helden wie LL Cool J, die Lords of the Underground oder King Tee exzellente Produktionen ab, z.B. "Mama Said Knock You Out", von Ladies Love Cool James; auch die ersten Hits von Eric B. & Rakim gehen aufs Konto des New Yorkers, der mit bürgerlichem Namen Marlon Williams heißt: "My Melody" und "Eric B Is President".


Marl bringt mit seinen Beats Boxen zum Fliegen
Quelle: http://itsfreshradio.com
1986 sampelte Marley Marl einen Drumbreak aus dem Song "Impeach the President" von den Honey Drippers und machte daraus die Single "The Bridge" von MC Shan. Das erste Mal, das jemand nicht mit seiner Drum Machine einen Beat gebastelt, sondern einen bereits vorhandenen Beat übernommen und bearbeitet hatte. Das Sampling war erfunden.

Drei Jahre später veröffentlichte er dann auf dem Label Cold Chillin' Records sein bahnbrechendes Album "In Control Vol. 1", das am 01. September sein 25. Jubiläum feierte. Hier setzte Master Ace seine ersten beiden Mikrofon-Marken: "Keep Your Eye On The Prize" und "Simon Says". Den Höhepunkt des Albums allerdings bildet der legendäre Posse-Track der Juice Crew "The Symphony", auf dem sich Master Ace, Craig G, Kool G. Rap und Big Daddy Kane mit Punchlines, Battle-Ryhmes und Wortspielen gegenseitig überbieten. Zur intensiveren Beschäftigung mit der Entstehungsgeschichte dieses Rapklassikers empfiehlt sich Brian Colemans Buch "Check the Technique", in der Marley Marl in einem ausführlichen Interview und Kommentaren zu jedem der zehn Albumtracks aus dem Nerd-Nähkästchen plaudert.

Am 01.09.1988 erschien "In Control Vol. 1"
Quelle: npr.org
Sowohl das Cover als auch das Foto auf der Rückseite des Albums sind inzwischen legendär - bis dato hatte sich noch nie eine Rapcrew vor einem Lear-Jet positioniert und damit suggeriert, das hier die Reim-Überflieger schlechthin am Start seien. Vom Luxus-Aspekt des Privatjets ganz zu schweigen - und auch die obligatorischen Goldketten fehlen natürlich nicht. Wie Marley Marl dem amerikanischen Radiosender NPR in einem ausführlichen und überaus hörenswerten Interview vor ein paar Tagen schilderte, täuschte diese selbst inszenierte Luxus-Legende allerdings raffiniert über die Tatsache hinweg, dass er selbst zum Zeitpunkt des Fotoshootings für 110$ Monats-Miete in einem sozialen Wohnungsbau, den so genannten Projects, lebte. Aber genau so entstehen Legenden.

Die legendäre Rückseite des Albums
Die Juice-Crew vor einem Lear Jet
Quelle Cold Chillin' Records

In diesem überaus unterhaltsamen 42-minütigen Gespräch erzählt der Überproduzent noch einige weitere interessante Anekdoten, die einen der beiden Interviewer - Ali Shaheed Muhammad von A Tribe Called Quest - vor Begeisterung mehrmals an den Rand der Hysterie bringen. Einer seiner musikalischen Einflüsse war Disco-Produzent und Brian de Palma-Stammkomponist Giorgio Moroder; wir erfahren, dass Big Daddy Kane der Ghostwriter von Biz Markie war und wie Marley Marl zu LL's Hit "Mama Said Knock You Out" inspiriert wurde. Das ist lebendige Hip-Hop-Geschicte zum Staunen und Freuen. Oder wie es Craig G. auf dem Album rappt: "Droppin' Science".

Mittwoch, 11. September 2013

Diggin' in the Crates (2a): Monk Higgins


Er war ein stiller Soul-Held. Einer, der stets im Schatten stand, ohne den aber viele Sänger, Instrumentalisten und Gruppen nie geleuchtet hätten. Ein Saxofonist, Arrangeur, Produzent, Stückeschreiber, Cousin der großartigen Soulsängerin Barbara Acklin und Samplefutter-Geber. Einer, der im Jazz, im Funk und im Soulbereich unterwegs war - der vielseitig begabte und im Alter von 49 Jahren viel zu früh verstorbene Monk Higgins.

Saxofonist Monk Higgins
Quelle: http://pastblues.com

Higgins veröffentlichte nicht nur sechs Alben und ein gutes Dutzend Singles unter seinem eigenen Namen, er machte auch als Arrangeur einige Soul-Jazz-Alben zu echten Meisterwerken. Die Liste ist lang, im folgenden soll es aber neben seinen Solo-Scheiben vor allem um Higgins' hervorragendes Händchen als Arrangeur für Blue Mitchell, die Three Sounds, Gene Harris und Freddy Robinson gehen.

Seine erste Single hinterließ schon 1966 seine Duftmarke, seinen satten Saxophon-Sound gepaart mit einem groovigen Beat, der einem zu relaxtem Kopfnicken geradezu animiert: "Who dun it" (St. Lawrence). 

Das erste Album "Mac Arthur Park" (1968, Dunhill) war solide, aber noch nicht berauschend, das zweite allerdings ein echtes Meisterwerk: 


Zweites Album, erster Klassiker
Quelle: discogs.com
"Extra Soul Perception" (1969, Solid State) enthält einige inzwischen zu Klassikern gewordene Stücke: "The Look of Slim", das schon in Higgins' Originalversion für energetische Euphorisierungsschübe bei Freunden ausgetüftelter Arrangements im Zusammenspiel mit einem fetten Beat und funkigen Klaviersprengseln sorgt; in der Version von den Three Sounds, für die Higgins seinen Track im selben Jahr noch fetter arrangierte, kennt die Begeisterung von Sample-Suchern (inzwischen ja eher Sample-Entdeckern) dann wirklich keine Grenzen mehr. 

Ähnlich ergeht es dem Hip-Hop-hörenden Higgins-Verehrer bei seiner Version von "Little Green Apples", bei der sich auch Gang Starr bei ihrem Track "Code Of The Streets" bedient haben. Das dritte bemerkenswerte Stück ist schließlich "Sitting Duck", das ebenfalls von Higgins arrangiert für Gene Harris & the Three Sounds einer der genialsten Tracks werden sollte, dazu später mehr.


Geniales Cover, geniale Musik
Quelle: discogs.com
Das dritte, ebenfalls empfehlenswerte, Album von Monk Higgins heißt "Little Mama" (1972, United Artists). Es enthält den Klassiker "Black Fox" und den vor ein paar Jahren von John Legend ("Heaven") erfolgreich gesampelten Song "Heaven Only Knows"

Nun folgt der im wahrsten Sinne schwergewichtigste Streich, seine inzwischen gesuchteste, teuerste und beste Platte: "Heavyweight" (1972, United Artists). Gleich eine Handvoll hervorragender Higgins-Hinhörer sind auf diesem Album (aber leider nicht alle im Internet) zu finden: "Gotta Get Funky", "Big Water Bed", "Up On The Hill", inklusive eines Bongo-Drum-Breaks zu Beginn, oder "Libra's Way". 

Super-Schwergewichts-Streich
Quelle: discogs.com
In derselben Lausch-Liga spielt allerdings auch der einzige Blaxploitation-Soundtrack, den Higgins (zusammen mit Alex Brown) für den Pam Grier-Film "Sheba, Baby" 1975 (Buddah) geschrieben hat. Auch hier ein großes Sample-Aha-Erlebnis für alle deutschen Old-Schooler, die damals zum Main Concept-Track "Coole Scheiße" genickt und mitgerappt haben: "I'm in Love with You" heißt das hier zu findende Original. Auch zu empfehlen: "Three Hoods" und ein ebenfalls von Gang Starr benutzter Seelenschmerz-Song: "A Good Man is Gone".

Insgesamt letztlich von schwächerer Qualität ist das letzte Solo-Album "Dance to the Disco Sax" - immerhin aber enthält es den eins zu eins von Master Ace übernommenen Sample-Klassiker "One Man Band".


Foxy Brown dieses Mal als Sheba, Baby
Quelle: discogs.com

Für die gesamte Solo-Discographie sei die Auflistung des amerikanischen Jazz-Journalisten Doug Payne empfohlen - mit den ausgezeichneten Arrangeurskünsten von Monk Higgins werden wir uns in den nächsten Tagen ausgiebig auseinandersetzen. 

Dienstag, 10. September 2013

Papa's Got Brand News (1) - Neues von Coldplay & den Roots und ein schöner Soul-Jazz-Mix

Coldplay machen Song für Soundtrack

Der neue Coldplay-Song zum zweiten
Teil von "Tribute von Panem"
Quelle: http://prettymuchamazing.com
Zwei Jahre sind seit ihrem letzten Album vergangen - jetzt melden sich Coldplay mit einem neuen Song zurück. Zum ersten Mal überhaupt hat die legendäre Band um Sänger Chris Martin einen Song exklusiv für einen Film geschrieben: „Atlas“, den Titelsong zu DIE TRIBUTE VON PANEM – CATCHING FIRE. Dass Martin bekennender Fan der gleichnamigen Romanserie von Suzanne Collins ist, merkt man dem Song an: „Wir können es immer noch kaum fassen, wie sehr sie sich beim Schreiben auf die Thematik des Films eingelassen haben“, kommentierte Francis Lawrence, Regisseur von CATCHING FIRE. Der komplette Soundtrack zum Film erscheint am 22. November, einen Tag nach Filmstart, und wurde, wie schon Teil 1, von James Newton Howard komponiert.


Roots machen gemeinsame Sache mit Elvis Costello

Zwei Brillen, eine Platte: Elvis Costello &
Questlove, Drummer & Mastermind der Roots
Quelle: npr.com
Erst Stream, dann Scream! In einer Woche erscheint das neue Album des inzwischen 59-jährigen Elvis Costello, "Wise Up Ghost". Es ist das Ergebnis einer einjährigen Zusammenarbeit und immer wiederkehrenden Jam-Sessions mit der großartigen und einzigen Hip-Hop-Band The Roots. Auf den Seiten des amerikanischen Radiosenders NPR kann man sich das komplette Album bereits als Stream anhören.


Soul-Jazz-Klassiker in the Mix

Das legendäre "Soul Symphony"-Cover
der Three Sounds, leicht verändert von O-Dub
Quelle: mixcrate.com
Ein Hammondorgel-Hammer jagt den nächsten, dreckige Soul-Jazz-Aufnahmen von Odell Brown, Leon Spencer oder Richard "Groove" Holmes, gemixt vom amerikanischen Musikkritiker ("Waxpoetics") und Soul-Sammler Oliver Wang, auch bekannt als DJ O-Dub. Unbedingt hörenswert schon wegen des Sample-Favoriten "Look of Slim" von den Three Sounds, an dessen knochentrockenem Kopfnicker-Beat, dem groovigen Kontrabass und den genialen Streichersounds Arrangeur Monk Higgins gewaltigen Anteil hat. Dazu noch die funky Pianolicks von Gene Harris - so klingt der Soul-Jazz-Himmel. Werde demnächst mehr zur erfolgreichen, einmaligen und euphorisierenden Zusammenarbeit von Gene Harris und Monk Higgins schreiben - stay tuned!