Donnerstag, 17. April 2014

Vinyl Lovers (3): Tobias Kirmayer: Labelbetreiber, DJ, Radiohost & Partyorganisator

„Hätte ein Tag 30 Stunden wäre es auch nicht genug“, sagt Tobias Kirmayer – und wenn man sich anschaut, wie der Mittdreißiger aus München mit einer bedingungslosen Begeisterung in Sachen „Rare Grooves“ seinen Tag ausfüllt, kann man das sehr gut nachvollziehen. Denn Kirmayers Terminplan scheint nur selten freie Tage zu enthalten. Weit über 100 Platten hat Kirmayer auf seinem Label Tramp Records veröffentlicht. „Was sich bei Tramp durchzieht als roter Faden, auch wenn die Musikstile unterschiedlich sind, ist meine persönliche Liebe zu dem Sound und der Ästhetik der 60er-, 70er-Jahre. Dieser warme, analoge Sound ist mir sehr wichtig. Aber mein Spektrum ist schon etwas weiter, es kann Soul, Funk sein, ich mag auch mal Afro-Beat, Jazz, Latin, da schlägt einfach mein Herz für die Produktionsweise. Und ich fänd´s furchtbar schade, wenn das verloren geht. Denn der Sound, die Ästhetik von Soul und Funk und Jazz der Aufnahmen in den 60ern, 70ern ist für mich das Optimum, was man erreichen kann“, hat Kirmayer mal in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur gesagt.

Tatsächlich ist er einer der ganz großen (Wieder)-Entdecker längst verschollener Singles. Einer der findigsten Cratedigger Deutschlands. Das hat sich inzwischen natürlich längst bis in die USA herumgesprochen. Der hervorragend sortierte Chicagoer Plattenladen „Dusty Groove“ hat selbstverständlich viele der Tramp-Releases im Programm und preist diese mit hymnischen (sehr gerechtfertigten Worten) an: „Contemporary grooves, but all pretty darn funky – thanks to an excellent track selection by Tobias Kirmayer – the same guy who brought us the excellents Movements collections!“ heißt es da oder auch: „Compiler Tobias Kirmayer really knows his stuff – after years of recording and reissuing great music on his own Tramp label – and if anything, his time in the funky underground has only given him a sharper ear for rare singles and lost soulful nuggets – as you'll hear in this wonderful compilation!”.

Ich freue mich riesig, dass Tobias - trotz intensiver Labelarbeit - Zeit für den Vinyl Lovers-Fragebogen gefunden hat.

Wann und wie bist du plattensüchtig geworden?
An erster Stelle war da mein Bruder, der fünf Jahre älter ist und mich recht früh (ich war damals so um die 12) mit Funk und Hip Hop infiziert hat. Wir sind jahrelang zusammen auf jeden Plattenflohmarkt in der Umgebung gegangen und haben regelmäßig die Plattenläden in München durchstöbert. Mitte der 90er gab‘s da noch mehr als heute und für damalige Verhältnisse hat man da auch schöne Sachen finden können. (Internet gab‘s damals noch nicht...) Neben meinem Bruder gab es speziell zwei Radioshows, die mich sehr beeinflusst haben. Zum einen “Black Friday” auf BR3 mit Fritz Egner (ja, DER Fritz Egner) (der jetzt übrigens das sehr lesenswerte Buch "Mein Leben zwischen Rhythm & Blues" geschrieben hat, Anm.der Redaktion) und das “Silly Solid Swound System” auf Ö3 (Österreich 3) mit DJ Makossa und Sugar B. Fritz Egner spielte zum Großteil klassischen Funk und Soul, ab und an aber streute er sogenannte Rare Grooves ein. Auf genau die bin ich besonders abgefahren. Makossa war zu dem Zeitpunkt bereits beim Rare Groove angekommen und spielte viele unbekannte Sachen. Weil es mir aber nicht gereicht hat die Musik nur zu hören, hab ich angefangen Platten zu sammeln.

Was war deine erste Platte?
Die hatte nichts mit Funk zu tun, das war das Album “But Seriously” von  Phil Collins.

Wie viele Platten hast du insgesamt?
Ehrlich gesagt keine Ahnung, ein paar Tausend sind es wohl, aber wie viele genau weiß ich nicht.

Was ist deine rarste/teuerste Platte? Und welche Platte bedeutet dir am Meisten?
Das kann ich schwer sagen, weil man bei den richtig seltenen Platten erst im Laufe der Zeit einschätzen kann wie selten sie sind. Ich habe ein paar Acetate (Anpressungen), die aber nie veröffentlicht worden sind. Von diesen gibt es in der Regel ein oder zwei Stück. Die sollten das seltenste in meiner Sammlung sein.

Deine Top 10 aus deiner Plattensammlung: 
Wechselt ständig und daher nur eine Momentaufnahme:
Charles Simmons – Save The World (7“)

Soul Shakers – You Ain't My Brother (7“)

James Brown – Let A Man Come In And Do The Popcorn (LP)

Wayne Carter – Mad Mouth Woman (7“)

Roy Porter Sound Machine - Jessica (LP)

Anita Moore & TSU Jazz Ensemble - Compared To What (7“)

Iris Bell Trio - Something Else (7“)

Grant Green - Live at the Lighthouse (LP)

Dee Felice Trio – In Heat (LP)

Matata – Independence (LP)


Beschreib doch mal deine Sammlung in 3-5 Worten:
Verdammt harte Arbeit, aber wunderbar.

Wo hast du schon aufgelegt / wo bist du regelmäßig zu hören?

In einigen Ländern in Europa und Australien. Um mich regelmäßig zu hören, muss man allerdings meine Platten kaufen. Unseren Club-Abend haben mein Kollege und ich letztes Jahr aufgehört. Der Sound ist in München und auch in vielen anderen Städten nicht mehr gefragt. Es lebe der kommerzielle Einheitsbrei!

Welcher Club/welche Location war für dich am Beeindruckendsten?
Die Rebeat Funk Night in Freiburg. Dort ist es einfach nur Wahnsinn.

Wo gehst du auf Platten-Suche (Internet/bestimmte Läden/Flohmarkt etc.)?
Eigentlich nur noch Ebay. Die Sachen, die wir Rare Grooves Nerds suchen, findet man nicht einfach mal so, wenn man in einen Plattenladen geht.

Hast du eine Lieblings-Internetseite zum Thema Musik?
Nicht wirklich.

Was war dein skurrilstes/schrägstes Plattenerlebnis (beim Plattenkaufen/-auflegen)?
Bei fast jedem Auflegen passiert irgendwas Schräges, wo man denkt, das musst du dir jetzt merken, unglaublich. Und dann vergisst man's doch wieder. Schmunzeln muss ich immer wieder, wenn ein Gast ankommt und meint „Hey, spiel doch mal was, das man kennt“. Auf den Gedanken, dass man mich genau deswegen bucht, kommen viele nicht. Ich nehme es Ihnen auch nicht übel.

Mit wem würdest Du gerne mal Abendessen gehen (lebende oder bereits gestorbene Personen)? Und warum?
Da gibt’s zu viele. Ich finde es generell superinteressant mit Leuten zu sprechen, die in den 1960er Jahren aktiv waren. Sei es als Produzent oder Musiker. Für mich waren die 60er Jahre musikalisch wegweisend und es ist einfach zu schön, alte Geschichten über die Art und Weise wie komponiert, arrangiert und aufgenommen wurde, zu hören. Ich bin superglücklich, einige getroffen zu haben, darunter Jimmy Preacher Ellis, Henry Boatwright (von den Soul Brothers Inc.), und Don Gardner.