Freitag, 15. November 2013

A Tribe Called Quest Midnight Marauders 20th Anniversary Mixtape



Sie ist eine der einflussreichsten und einfallsreichsten Hip-Hop-Bands aller Zeiten: A Tribe Called Quest. Die Rapper Q-Tip, Phife Dawg und Jarobi White und ihr DJ und Produzent Ali Shaheed Muhammad. Die Band wurde 1985 gegründet und hat 1990 ihr bahnbrechendes und wegweisendes erstes Album „People’s Instinctive Travels and the Paths of Rhythm“ veröffentlicht. Was dann folgte, ist Hip-Hop-Historie. Denn in nur 8 Jahren haben die New Yorker 5 Gold- und Platinalben herausgebracht, allesamt längst Klassiker und vom ersten Beat bis zum letzten Reim innovativ und inspirierend. 


  Wenn man unter diesen Hochkarätern einen herauspicken müsste, der vielleicht noch ein kleines bisschen großartiger, gigantischer und geistvoller als die anderen ist, dann würde die Wahl wahrscheinlich auf ihr drittes Album „Midnight Marauders“ fallen, das in diesen Tagen sein 20. Jubiläum feiert. Am 09. November 1993 erblickte dieser Jazz-Rap-Meilenstein das grelle Glitzerlicht der Hip-Hop-Welt und hinterließ in punkto Reimkunst und Sampleauswahl Maßstäbe. Anlässlich des Jubiläums hat DJ Chris Read (Wax Poetics) einen herrlichen Album-Mix unter Berücksichtigung der dazugehörigen Samplequellen zusammengestellt – toll gemixt und für alle Samplesucher gefundenes (wenn auch inzwischen wahrscheinlich längst bekanntes) Funkfood-Fressen, in diesem Fall wohl eher Jazzfood.

Wer nicht nur alle seine ATCQ-Alben wieder durchhören, sondern vielleicht auch noch etwas bisher Unbekanntes über seine Lieblingsband herausfinden möchte, dem sei an dieser Stelle ausdrücklich der sehr interessante Dokumentarfilm „Beats, Rhymes & Life: The Travels Of A Tribe Called Quest“ empfohlen. Der Film thematisiert die Trennung dieser Wahnsinns-Band 1998 und die zehn Jahre später erfolgte Wiedervereinigung. Regisseur (sonst eher als Schauspieler bekannt) Michael Rapaport begleitet die Jungs auf Tour und fängt Momente ein, die zeigen, wie schmal der Grat ihrer Gemeinsamkeiten geworden ist und was in jenen Momenten für die langjährigen Freunde und Band-Kollegen auf dem Spiel steht. Wirklich sehr spannend, sehr berührend und sehr sehens – und hörenswert.

Montag, 30. September 2013

Charles Bradley: Soul of America


Es ist eine dieser Lebensgeschichten, die man kaum glauben kann. Ein Musik-Märchen, das sich Hollywood-Drehbuchautoren nicht besser, dramatischer, spannender hätten ausdenken können. Wer "Searching for Sugarman" mochte, wird auch "Soul of America" lieben. Denn die Lebensgeschichte von Charles Bradley ist genauso emotional und unfassbar.

Eine unglaubliche Erfolgsgeschichte
Quelle: imdb.com

Von der Hochhaussiedlung in Brooklyn in die Top 50 Alben des "Rolling Stone" 2011. Nach 42 Jahren, in denen Bradley der Durchbruch als Sänger verwehrt bleibt, veröffentlicht er mit 62 Jahren sein Debütalbum - und ist seitdem einer der angesehensten Soulsänger unserer Zeit. "Charles Bradley - Soul of America" erzählt von der Entstehungsgeschichte seines Erstlingswerks "No Time For Dreaming" und von Bradleys Leben: von der Mutter verlassen, führt er schon als Jugendlicher ein Dasein in Armut. Mit 14 Jahren versucht der Junge, die kalten Winternächte in U-Bahnen zu überleben; er schrammt knapp an der Drogenabhängigkeit vorbei und macht eine Ausbildung zum Koch. Und dann beginnt die musikalische "Karriere". Da er aussieht und singt wie James Brown, tritt er fortan als "Black Velvet - James Brown Junior" auf. Bradley tingelt fast ein halbes Jahrhundert lang mit Perücke und Cape wie sein großes Vorbild durch die Clubs und Kneipen Brooklyns  - und singt die Hits des Soul Brother Nr. 1.


Charles Bradley in seinem Element
Quelle: thegridto.com
Bis er an seinem 62. Geburtstag beschließt, sich selbst neu zu erfinden. Endlich probiert er, mit eigenen Songs erfolgreich zu sein - und hat damit schließlich Erfolg. Wie Bradley sich den Schmerz und das Leid aus der Seele singt, sieht man in diesen 75 Minuten. Und selten ist ein Dokumentarfilm seinem Protagonisten so nahe gekommen - selten ist man als Zuschauer so privat, so persönlich mit dabei, selten auch hat ein Sänger so ehrlich und offen über sich, sein Leben und seine Probleme gesprochen. 


Wir begleiten Bradley, dessen Leben sich einzig und allein um seine Mutter dreht, beim Schuhe kaufen, beim Frisör, im vollgerümpelten Keller und sind auch mit dabei, wenn eine Privatlehrerin versucht, Bradleys Lese - und Schreibniveau, das mit dem eines Erstklässlers vergleichbar ist, zu verbessern. Und natürlich sehen wir den Star, der eigentlich alles andere als ein Star ist, in seinem Element auf der Bühne. Wir sehen den Schweiß und die Tränen - wir sehen einen Soulsänger, der uns wirklich einen tiefen Einblick in seine Seele gibt.

Der Film ist erst vor einem Monat in den USA auf DVD erschienen und in Deutschland bis jetzt nur als Import zu bekommen. Gestern aber lief der Film auf Servus TV - und ist momentan in der Mediathek zu sehen. Unbedingt gucken!

Freitag, 27. September 2013

Zum Vorfreuen & Nachhören (1) - Doku zu den legendären "Muscle Shoals"-Studios, 23 unveröffentlichte Songs von Donny Hathaway, Gilles Peterson legt Italo-Western-Sounds auf & eine musikalische Reise nach Bamako


"Muscle Shoals" - von Aretha Franklin über die Stones zu Alicia Keys

Am 25.10. startet "Muscle Shoals" in UK
Quelle: http://muscleshoals.co.uk
Muscle Shoals ist nicht nur ein 12.000-Einwohner-Städtchen in Alabama, sondern auch der Name eines legendären Studios. Aretha Franklins "Respect" und "Brown Sugar" von den Rolling Stone wurden hier aufgenommen, hier wurde von der Muscle Shoals Rhythm Section der Muscle Shoals Sound geprägt. Auch Wilson Pickett, Clarence Carter und die Staple Singers haben sich für legendäre Einspielungen im 3614 Jackson Highway eingefunden. 


Clarence Carter in Muscle Shoals
Quelle: http://muscleshoals.co.uk


Amerikanische Pop-, Rock- und vor allem Soulgeschichte wurde also in diesen heiligen Hallen geschrieben. Genug Stoff für eine Dokumentation, die im Januar dieses Jahres bereits auf Robert Redfords großartigem Independent-Festival, dem Sundance Filmfestival, gezeigt wurde und immerhin bald in Großbritannien, nämlich am 25. Oktober, in die Kinos kommt. Schlicht und einfach "Muscle Shoals" betitelt, berichten Musik-Größen wie Bono, Clarence Carter, Mick Jagger, Etta James, Alicia Keys, Keith Richards, Percy Sledge und Aretha Franklin von diesem legendären Ort. Hoffen wir auf einen baldigen deutschen Kinostart!




Donny Hathaway - im November erscheinen 23 bisher unveröffentlichte Songs

Seinen Namen muss man in einem Atemzug mit Soul-Helden wie Marvin Gaye oder Curtis Mayfield nennen: Donny Hathaway. Ein unfassbar talentierter Musiker, der zahlreiche Instrumente selbst einspielte, ein einfallsreicher und einfühlsamer Arrangeur und Produzent und mit einer Gänsehaut erzeugenden Stimme gesegnet. Nach nur einer Handvoll Alben und einigen hochkarätigen Singles und Zusammenarbeiten mit anderen Künstlern ist der an Depressionen leidende Künstler viel zu früh mit nur 34 Jahren aus dem fünfzehnten Stock eines Hotels in New York gesprungen. Ein tragisches Ende. 

Die Donny-Hathaway-Anthology
Quelle: http://donnyhathaway.blogspot.de

Auch wer alle von Hathaway produzierten LP's und Singles besitzt, dürfte schon jetzt ein leichtes Bauchkribbeln verspüren beim Blick auf eine 4-er-CD-Box, die am 08. November erscheinen wird. Denn auf dieser umfassenden Zusammenstellung namens "Never My Love: The Anthology" finden sich nicht nur sämtliche Hits und gesuchten Singles, sondern auch 23 bisher unveröffentlichte Aufnahmen Hathaways. Dazu gibt es einen umfangreichen Essay über Hathaways Leben und Musik vom Musik-Journalisten Charles Waring sowie seltene Aufnahmen des Sängers. Kann man für aktuell faire 26 Euro vorbestellen. Young, Gifted and Black!





Gilles Peterson legt Spaghetti-Western-Perlen auf

Gilles Peterson zaubert Morricone, Bacalov & Umiliani auf den Plattenteller
Quelle: http://www.gillespetersonworldwide.com/gilles-peterson/radio/
Ach, hätte der Tag nur 48 Stunden. Dann könnte man außer zu arbeiten und zu schlafen noch ausgiebig Filme gucken, Bücher lesen und Platten hören. Und dann hätte man auch genügend Zeit, um sich alle Mixe von Gilles Peterson anzuhören. Der in Frankreich geborene Brite ist DER europäische DJ überhaupt. Mitte der 80er-Jahre hat er den Begriff des Acid Jazz geprägt, zusammen mit seinem Freund und DJ-Kollegen Eddie Piller das inzwischen legendäre Acid Jazz Label gegründet, danach das nicht minder legendäre Label Talkin' Loud ins Leben gerufen und Platten von Courtney Pinne, 4Hero, Inkognito, Soul & Folk-Gott Terry Callier und Galliano veröffentlicht. 

Gilles Peterson  - Worldwide am Start
Quelle: soundwall.it
Mittlerweile legt Peterson in Clubs auf der ganten Welt auf und schafft es tatsächlich Woche für Woche unbekannte Musik-Perlen auf die Plattenteller zu legen, in seiner samstags von 15 bis 18 Uhr auf BBC 6 ausgestrahlten Sendung. Und diese drei Stunden sind eine stets überraschende, inspirierende und herrlich abwechslungsreiche Reise durch Hip Hop, Dub, Reggae, Jazz, Broken Beat, Drum and Bass, Soul und Funk. 

Letzten Samstag zauberte Peterson einige wunderbare Spaghetti-Western-Perlen von Morricone über Bacalov bis zu Umiliani auf den Plattenteller. Bis morgen könnt/sollt/müsst ihr in die Sendung reinhören. Morgen um 15 Uhr wird's dann nicht minder interessant - Peterson hat den großartigen Jazzsänger Gregory Porter zu Gast! 



"Import Export Bamako" - Ein Feature über die Pilgerstätte der Pop-Hipster

Dass Jonathan Fischer dem Herzschlag interessanter Musik folgend schon um die halbe Welt gereist ist, konntet ihr dem letzen "Vinyl Lovers"-Artikel bereits entnehmen. Bereits im letzten Jahr war der Münchner Musikjournalist in Mali auf den Spuren einer höchst vielfältigen und fruchtbaren Club - und Musikszene unterwegs. 

Jonathan Fischer mit Rapper Amkoullel
Quelle: wdr3.de
Inzwischen sind mehrere Artikel von ihm über malische Musiker und deren Schwierigkeiten, zuerst unter der Militär- Diktatur, jetzt unter der Herrschaft der Islamisten, ungestört Songs aufnehmen und spielen zu können, erschienen. Nun gibt es ein gut 50-minütiges Hörspielfeature, das die gesamte Bandbreite der Musikkultur des gepeinigten Landes zeigt. Eine trotz der derzeitigen Lage hoffnungsvoll stimmende, mitreißende und atmosphärische Reise nach Afrika - von den Griots bis zu jungen Rappen. Unbedingt nochmal nachreisen!

Dienstag, 17. September 2013

Vinyl Lovers (2): Jonathan Fischer, Journalist, Trikont-Chefcompiler, Groove-Reisender


"In Deutschland gibt es nicht viele Musikjournalisten, die ein so tiefgründiges Fachwissen afroamerikanischer Musik haben wie Jonathan Fischer. Er spürt in den Ghettos von Los Angeles oder den Townships von Soweto neue Musiktrends auf, bevor sich diese auf ihren Siegeszug um die Welt machen". So hat die Jury des "Goldenen Prometheus" vor sieben Jahren die Nominierung des Münchners als "Printjournalist des Jahres" begründet. Den Preis hat der Musikliebhaber leider nicht bekommen, dafür aber gewinnt er seit Jahren mit seinen interessanten Texten die Aufmerksamkeit seiner Leser. Die freuen sich über Fischers punktgenaue Sprache und über spannende Reportagen aus den Musik-Hauptstädten der Welt. 

Jonathan Fischer: Boxender Journalist,
Musikliebender Maler, Raritäten-DJ
Wenn man in den letzten Jahren in den Feuilletons deutscher Tageszeitungen ausnahmsweise mal etwas über afroamerikanische Kultur im weitesten, die unterschiedlichen Spielarten "schwarzer Musik" im engeren Sinne gelesen hat, dann stand eigentlich immer ein Name darunter: Jonathan Fischer, ob nun in der "Süddeutschen Zeitung", der "FAZ" oder der "Zeit". Um einen Einblick in die lesenswertesten Musiktexte des deutschen Zeitungsmarkts zu bekommen, sei die Zusammenstellung wenigstens einiger seiner Artikel auf der Homepage des umtriebigen "Sound-Schnüfflers" unbedingt und dringend empfohlen. Die Reise geht vom Cajun über den Gospel und Blues, bis zu Soul, Funk und Rap; von New Orleans über Bamako nach Ägypten und wieder zurück nach München.

Dort legt Jonathan regelmäßig auf - einen Musikmix, wie er in Deutschland wohl seinesgleichen sucht: Soul, Reggae, Cumbia. Und als wäre das nicht schon genug für eine ausgefüllte Woche, schafft es Fischer auch noch zu malen (und zwar professionell), zu boxen und den ein oder anderen Sampler für das wunderbare Münchner Label Trikont zusammenzustellen. Auf 18 bisherige Compilations hat es der versierte Kenner der Musikmaterie inzwischen gebracht. Und diese Zusammenstellungen lohnen sowohl wegen der seltenen, gesuchten und inspirierenden Tracks als auch wegen der informativen Liner Notes. Umso mehr freu ich mich, dass Jonathan - gerade von einem weiteren Trip zurückgekehrt  - Zeit gefunden hat, uns den "Vinyl Lovers"-Fragebogen auszufüllen. Danke, Jonathan.


Wann und wie bist du plattensüchtig geworden?
War eher Musik- als Platten-süchtig, aber die LP war eben das Format der Zeit und die tollen Klappcover gaben in der Prä-Video-Ära endlos Stoff zum Fantasieren her...

Was war deine erste Platte?
Status Quo "Blue For You". Meine erste "schwarze" Platte: "American Folk And Blues Festival".

Wie viele Platten hast du insgesamt?
Circa 20 000 Vinylplatten, CDs habe ich nie gezählt.

Was ist deine rarste/teuerste Platte? Und welche Platte bedeutet dir am Meisten?
Ich bewege mich nicht auf den einschlägigen Börsen, weiß nur, dass ich mal 200 Pfund für eine Mike James Kirkland LP  gezahlt habe. Als Soulfan bedeutet mir am meisten: Lou Courtney "I'm In Need Of Love" und alles von O.V. Wright. 

Deine Top 10 aus deiner Plattensammlung
Top 10 Singles in keiner spezifischen Reihenfolge:
George Perkins And The Silverstars "Crying In The Streets"
Luther Ingram "I Can't Stop"
The Knight Bros "Sinking Low"
Sam Baker "It's All Over"
Lynn Vernado "Second Hand Love"

Beschreib doch mal deine Sammlung in 3-5 Worten:
Soul-Blues-HipHop-Latin-Afrika.

Wo hast du schon aufgelegt / wo bist du regelmäßig zu hören? 
Alle Münchner Clubs vom damaligen Babalu über Substanz bis Parkcafe. Momentan mit "Milla Tropical" ( monatlich im Milla, München, und mit "The Big Soul Bowl" zweimonatlich im Pimpernel, München. Bester Münchner Club: Substanz zu seinen Anfangstagen, als die Leute zu Blues auf den Tischen getanzt haben... Momentan: Milla.

Wo gehst du auf Platten-Suche?
Meine Platten habe ich fast sämtlich in großen Thriftstore-Koffern von meinen Trips aus Louisiana, New Orleans, Memphis, Nashville mitgebracht. Im Internet kaufe ich nichts - mir macht das Wühlen Spaß.

Was war dein skurrilstes/schrägstes Plattenerlebnis (beim Plattenkaufen/-auflegen)?
Soul im Max-Emanuel in München: Einige der Besucher zücken ihren Geldbeutel sobald ihnen eine Single besonders gut gefällt, und blättern solange die Scheine nach ("ich muss die heute nacht noch meiner Frau vorspielen"), bis ich widerwillig einschlage... / Schwarze Frau im Soul City: "Hey lass mich die Single sehen... das ist mein Bruder der da singt! Ich fasse es nicht..."

Mit wem würdest Du gerne mal essen gehen (lebende oder bereits gestorbene Personen)?

Samstag, 14. September 2013

Marley Marls "In Control Vol.1" feiert 25. Jubiläum - der Erfinder des Sampling und Produzenten-Gott über die Goldene Ära des Hip Hop


Marley Marl ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Hip-Hop-Geschichte; er hat als einer der Ersten das Sampling entdeckt und war Jahre lang einer der einflussreichsten und einfallsreichsten Produzenten. In der goldenen Hip-Hop-Ära war er der Haupt- und Hausproduzent der Juice Crew und lieferte für deren Mitglieder diverse Beats. Für Big Daddy Kane, Biz Markie, Kool G Rap & DJ Polo, Craig G, Master Ace, Roxanne Shanté und MC Shan. Der inzwischen 50-jährige Marley Marl lieferte darüber hinaus aber auch für Hip-Hop-Helden wie LL Cool J, die Lords of the Underground oder King Tee exzellente Produktionen ab, z.B. "Mama Said Knock You Out", von Ladies Love Cool James; auch die ersten Hits von Eric B. & Rakim gehen aufs Konto des New Yorkers, der mit bürgerlichem Namen Marlon Williams heißt: "My Melody" und "Eric B Is President".


Marl bringt mit seinen Beats Boxen zum Fliegen
Quelle: http://itsfreshradio.com
1986 sampelte Marley Marl einen Drumbreak aus dem Song "Impeach the President" von den Honey Drippers und machte daraus die Single "The Bridge" von MC Shan. Das erste Mal, das jemand nicht mit seiner Drum Machine einen Beat gebastelt, sondern einen bereits vorhandenen Beat übernommen und bearbeitet hatte. Das Sampling war erfunden.

Drei Jahre später veröffentlichte er dann auf dem Label Cold Chillin' Records sein bahnbrechendes Album "In Control Vol. 1", das am 01. September sein 25. Jubiläum feierte. Hier setzte Master Ace seine ersten beiden Mikrofon-Marken: "Keep Your Eye On The Prize" und "Simon Says". Den Höhepunkt des Albums allerdings bildet der legendäre Posse-Track der Juice Crew "The Symphony", auf dem sich Master Ace, Craig G, Kool G. Rap und Big Daddy Kane mit Punchlines, Battle-Ryhmes und Wortspielen gegenseitig überbieten. Zur intensiveren Beschäftigung mit der Entstehungsgeschichte dieses Rapklassikers empfiehlt sich Brian Colemans Buch "Check the Technique", in der Marley Marl in einem ausführlichen Interview und Kommentaren zu jedem der zehn Albumtracks aus dem Nerd-Nähkästchen plaudert.

Am 01.09.1988 erschien "In Control Vol. 1"
Quelle: npr.org
Sowohl das Cover als auch das Foto auf der Rückseite des Albums sind inzwischen legendär - bis dato hatte sich noch nie eine Rapcrew vor einem Lear-Jet positioniert und damit suggeriert, das hier die Reim-Überflieger schlechthin am Start seien. Vom Luxus-Aspekt des Privatjets ganz zu schweigen - und auch die obligatorischen Goldketten fehlen natürlich nicht. Wie Marley Marl dem amerikanischen Radiosender NPR in einem ausführlichen und überaus hörenswerten Interview vor ein paar Tagen schilderte, täuschte diese selbst inszenierte Luxus-Legende allerdings raffiniert über die Tatsache hinweg, dass er selbst zum Zeitpunkt des Fotoshootings für 110$ Monats-Miete in einem sozialen Wohnungsbau, den so genannten Projects, lebte. Aber genau so entstehen Legenden.

Die legendäre Rückseite des Albums
Die Juice-Crew vor einem Lear Jet
Quelle Cold Chillin' Records

In diesem überaus unterhaltsamen 42-minütigen Gespräch erzählt der Überproduzent noch einige weitere interessante Anekdoten, die einen der beiden Interviewer - Ali Shaheed Muhammad von A Tribe Called Quest - vor Begeisterung mehrmals an den Rand der Hysterie bringen. Einer seiner musikalischen Einflüsse war Disco-Produzent und Brian de Palma-Stammkomponist Giorgio Moroder; wir erfahren, dass Big Daddy Kane der Ghostwriter von Biz Markie war und wie Marley Marl zu LL's Hit "Mama Said Knock You Out" inspiriert wurde. Das ist lebendige Hip-Hop-Geschicte zum Staunen und Freuen. Oder wie es Craig G. auf dem Album rappt: "Droppin' Science".

Mittwoch, 11. September 2013

Diggin' in the Crates (2a): Monk Higgins


Er war ein stiller Soul-Held. Einer, der stets im Schatten stand, ohne den aber viele Sänger, Instrumentalisten und Gruppen nie geleuchtet hätten. Ein Saxofonist, Arrangeur, Produzent, Stückeschreiber, Cousin der großartigen Soulsängerin Barbara Acklin und Samplefutter-Geber. Einer, der im Jazz, im Funk und im Soulbereich unterwegs war - der vielseitig begabte und im Alter von 49 Jahren viel zu früh verstorbene Monk Higgins.

Saxofonist Monk Higgins
Quelle: http://pastblues.com

Higgins veröffentlichte nicht nur sechs Alben und ein gutes Dutzend Singles unter seinem eigenen Namen, er machte auch als Arrangeur einige Soul-Jazz-Alben zu echten Meisterwerken. Die Liste ist lang, im folgenden soll es aber neben seinen Solo-Scheiben vor allem um Higgins' hervorragendes Händchen als Arrangeur für Blue Mitchell, die Three Sounds, Gene Harris und Freddy Robinson gehen.

Seine erste Single hinterließ schon 1966 seine Duftmarke, seinen satten Saxophon-Sound gepaart mit einem groovigen Beat, der einem zu relaxtem Kopfnicken geradezu animiert: "Who dun it" (St. Lawrence). 

Das erste Album "Mac Arthur Park" (1968, Dunhill) war solide, aber noch nicht berauschend, das zweite allerdings ein echtes Meisterwerk: 


Zweites Album, erster Klassiker
Quelle: discogs.com
"Extra Soul Perception" (1969, Solid State) enthält einige inzwischen zu Klassikern gewordene Stücke: "The Look of Slim", das schon in Higgins' Originalversion für energetische Euphorisierungsschübe bei Freunden ausgetüftelter Arrangements im Zusammenspiel mit einem fetten Beat und funkigen Klaviersprengseln sorgt; in der Version von den Three Sounds, für die Higgins seinen Track im selben Jahr noch fetter arrangierte, kennt die Begeisterung von Sample-Suchern (inzwischen ja eher Sample-Entdeckern) dann wirklich keine Grenzen mehr. 

Ähnlich ergeht es dem Hip-Hop-hörenden Higgins-Verehrer bei seiner Version von "Little Green Apples", bei der sich auch Gang Starr bei ihrem Track "Code Of The Streets" bedient haben. Das dritte bemerkenswerte Stück ist schließlich "Sitting Duck", das ebenfalls von Higgins arrangiert für Gene Harris & the Three Sounds einer der genialsten Tracks werden sollte, dazu später mehr.


Geniales Cover, geniale Musik
Quelle: discogs.com
Das dritte, ebenfalls empfehlenswerte, Album von Monk Higgins heißt "Little Mama" (1972, United Artists). Es enthält den Klassiker "Black Fox" und den vor ein paar Jahren von John Legend ("Heaven") erfolgreich gesampelten Song "Heaven Only Knows"

Nun folgt der im wahrsten Sinne schwergewichtigste Streich, seine inzwischen gesuchteste, teuerste und beste Platte: "Heavyweight" (1972, United Artists). Gleich eine Handvoll hervorragender Higgins-Hinhörer sind auf diesem Album (aber leider nicht alle im Internet) zu finden: "Gotta Get Funky", "Big Water Bed", "Up On The Hill", inklusive eines Bongo-Drum-Breaks zu Beginn, oder "Libra's Way". 

Super-Schwergewichts-Streich
Quelle: discogs.com
In derselben Lausch-Liga spielt allerdings auch der einzige Blaxploitation-Soundtrack, den Higgins (zusammen mit Alex Brown) für den Pam Grier-Film "Sheba, Baby" 1975 (Buddah) geschrieben hat. Auch hier ein großes Sample-Aha-Erlebnis für alle deutschen Old-Schooler, die damals zum Main Concept-Track "Coole Scheiße" genickt und mitgerappt haben: "I'm in Love with You" heißt das hier zu findende Original. Auch zu empfehlen: "Three Hoods" und ein ebenfalls von Gang Starr benutzter Seelenschmerz-Song: "A Good Man is Gone".

Insgesamt letztlich von schwächerer Qualität ist das letzte Solo-Album "Dance to the Disco Sax" - immerhin aber enthält es den eins zu eins von Master Ace übernommenen Sample-Klassiker "One Man Band".


Foxy Brown dieses Mal als Sheba, Baby
Quelle: discogs.com

Für die gesamte Solo-Discographie sei die Auflistung des amerikanischen Jazz-Journalisten Doug Payne empfohlen - mit den ausgezeichneten Arrangeurskünsten von Monk Higgins werden wir uns in den nächsten Tagen ausgiebig auseinandersetzen. 

Dienstag, 10. September 2013

Papa's Got Brand News (1) - Neues von Coldplay & den Roots und ein schöner Soul-Jazz-Mix

Coldplay machen Song für Soundtrack

Der neue Coldplay-Song zum zweiten
Teil von "Tribute von Panem"
Quelle: http://prettymuchamazing.com
Zwei Jahre sind seit ihrem letzten Album vergangen - jetzt melden sich Coldplay mit einem neuen Song zurück. Zum ersten Mal überhaupt hat die legendäre Band um Sänger Chris Martin einen Song exklusiv für einen Film geschrieben: „Atlas“, den Titelsong zu DIE TRIBUTE VON PANEM – CATCHING FIRE. Dass Martin bekennender Fan der gleichnamigen Romanserie von Suzanne Collins ist, merkt man dem Song an: „Wir können es immer noch kaum fassen, wie sehr sie sich beim Schreiben auf die Thematik des Films eingelassen haben“, kommentierte Francis Lawrence, Regisseur von CATCHING FIRE. Der komplette Soundtrack zum Film erscheint am 22. November, einen Tag nach Filmstart, und wurde, wie schon Teil 1, von James Newton Howard komponiert.


Roots machen gemeinsame Sache mit Elvis Costello

Zwei Brillen, eine Platte: Elvis Costello &
Questlove, Drummer & Mastermind der Roots
Quelle: npr.com
Erst Stream, dann Scream! In einer Woche erscheint das neue Album des inzwischen 59-jährigen Elvis Costello, "Wise Up Ghost". Es ist das Ergebnis einer einjährigen Zusammenarbeit und immer wiederkehrenden Jam-Sessions mit der großartigen und einzigen Hip-Hop-Band The Roots. Auf den Seiten des amerikanischen Radiosenders NPR kann man sich das komplette Album bereits als Stream anhören.


Soul-Jazz-Klassiker in the Mix

Das legendäre "Soul Symphony"-Cover
der Three Sounds, leicht verändert von O-Dub
Quelle: mixcrate.com
Ein Hammondorgel-Hammer jagt den nächsten, dreckige Soul-Jazz-Aufnahmen von Odell Brown, Leon Spencer oder Richard "Groove" Holmes, gemixt vom amerikanischen Musikkritiker ("Waxpoetics") und Soul-Sammler Oliver Wang, auch bekannt als DJ O-Dub. Unbedingt hörenswert schon wegen des Sample-Favoriten "Look of Slim" von den Three Sounds, an dessen knochentrockenem Kopfnicker-Beat, dem groovigen Kontrabass und den genialen Streichersounds Arrangeur Monk Higgins gewaltigen Anteil hat. Dazu noch die funky Pianolicks von Gene Harris - so klingt der Soul-Jazz-Himmel. Werde demnächst mehr zur erfolgreichen, einmaligen und euphorisierenden Zusammenarbeit von Gene Harris und Monk Higgins schreiben - stay tuned!

Donnerstag, 29. August 2013

"Get on up" - das Leben von James Brown kommt 2014 in die Kinos



Make it Funky - die Lebensgeschichte von
James Brown wird 2014 im Kino zu sehen sein
Quelle: http://cdn.hiphopwired.com
It's Superbad! Seit mehr als einem Jahrzehnt ist dieser Film nun schon in Planung. Jetzt scheint endlich Bewegung ins Projekt zu kommen: das Leben von James Brown wird verfilmt. Kein Wunder, denn die Erfolgsgeschichte des "Godfather of Soul" ist fast zu schön, um wahr zu sein. Und sie enthält die nötige Dosis Drama, eine Spannungskurve mit Höhen und Tiefen inklusive des Thementrios "Sex, Drugs & Violence".

Der vielleicht wichtigste Schritt ist getan: der Hauptdarsteller für "Get on up" ist gefunden. Chadwick Boseman soll die Rolle des "Hardest Working Man in Show Business" übernehmen. Der 31-Jährige hat bereits Erfahrung darin, große Persönlichkeiten dazustellen. 

Chadwick Boseman - noch nicht ganz als
Soul Brother#1 zu erkennen...
Quelle: hollywoodreporter.com
Im Film "42" ist er aktuell in den deutschen Kinos in der Rolle des Baseballspielers Jackie Robinson zu sehen. Jetzt wird er wahrscheinlich langsam ins Gesangs- und vor allem Tanztraining einsteigen müssen - denn bis er die genialen, fast schon unnachahmlichen Tanzmoves inklusive des Moonwalk-Vorläufers beherrschen wird, wird es sicherlich etwas dauern. Es könnte natürlich auch sein, dass Boseman lediglich synchrone Lippenbewegungen hinbekommen muss und Mr. Browns Originalstimme zu hören sein wird. Bleibt nur zu hoffen, dass die Filmemacher kein Fußdouble einsetzen… Fakt ist auf jeden Fall, dass damit zwei Kandidaten aus dem Rennen sind, die jahrelang heiß gehandelt wurden: der Ex-Beverly-Hills-Cop und Quasselstrippenkönig Eddie Murphy, der James Brown vor ein paar Jahrzehnten schon mal in "Saturday Night Live" zumindest stimmlich recht überzeugend nachgemacht hat, und Blade-Star Wesley Snipes.

Regisseur Tate Taylor
Quelle: imdb.com
Regie führt Tate Taylor, der mit seinem letzten Film "The Help" (2011) bewiesen hat, dass er gefühlvolles und erfolgreiches Hollywoodkino fabrizieren kann, das auch von der Oscar-Academy mit insgesamt 4 Nominierungen gewürdigt wurde. Ersten Gerüchten zufolge wird auch Octavia Spencer, die bereits in "The Help" mit Taylor zusammengearbeitet und für ihre Rolle einen Oscar gewonnen hat, im bisher mit "Get on up" betitelten Biopic dabei sein. Als Produzenten sind Brian Grazer (A Beautiful Mind, 8 Mile) und Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger im Boot. Letzterer ist schwer geehrt: "It's a great honor to be involved with a project as rich as the story of the legendary James Brown. He was a mesmerizing performer with a fascinating life".

Der Film wird  - ähnlich wie die Biopics über Ray Charles ("Ray") und Johnny Cash ("Walk the Line") - die Lebensgeschichte von James Brown erzählen, ausgehend von seiner Kindheit, die er in extrem armen Verhältnissen verbrachte, bis hin zu seinem Aufstieg zu einem der wichtigsten Künstler der 60er und 70er Jahre. Alle Szenen - ob sie nun in Paris oder in Vietnam spielen sollen - werden in Mississippi gedreht (obwohl Brown in South Carolina geboren wurde und in Georgia aufgewachsen ist); im November beginnen die Dreharbeiten. Bis zu seinem Tod im Jahr 2006 wirkte der Soul Brother#1 übrigens selbst aktiv an den Vorbereitungen zur Verfilmung seines Lebens mit. Der Film hat durchaus Oscar-Potential, allerdings erst für die Verleihung 2015, denn der bisher anvisierte US-Starttermin wird der 17. Oktober 2014 sein.

Dienstag, 20. August 2013

Must-See Movies (1) Warum "Die Regenschirme von Cherbourg" speziell, aber auch sensationell ist


Ja, dieser Film ist speziell; er sieht aus wie eine Packung knallbunter Bonbons und jeder noch so banale Dialogsatz wird gesungen! Aber wer sich auf diese ganz besonderen 90 Minuten einlässt und wenigstens ein bisschen oder sogar hoffnungslos romantisch veranlagt ist, der wird diesen Film lieben! 

Filmplakat
Quelle: http://memoires-algeriennes.com
"Die Regenschirme von Cherbourg" ist einmalig, so viel steht fest. Und muss für das Publikum vor 50 Jahren eine Überraschung, vielleicht sogar eine kleine Revolution gewesen sein. Regisseur Jacques Demy bietet uns einen Rausch an Pastellfarben und Komponist Michel Legrand einen Rausch melancholischer Melodien - und beide verleihen damit dem Alltäglichen ungeahnte Anmut. Dieser Film ist ein Unikat, ein Mischmasch, er ist weder Musical noch Film-Oper; vielleicht trifft Francois Truffauts Behauptung noch am ehesten zu - er nannte "Die Regenschirme von Cherbourg" einen Science-Fiction-Film.

Auf der einen Seite gewann er damals die Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes; auf der anderen Seite hagelte es Kritik: von bundesdeutschen (vermeintlichen) Niveaubewahrer-Nörglern, die in Demys radikalem Romantik-Reigen einen Ausverkauf der Nouvelle Vague sahen; und von ostdeutschen Betonköpfen, die im Kino protestierten, man solle sich solchen "Kitsch" nicht bieten lassen. 

Ich habe vollstes Verständnis für diejenigen, die sagen: "Was ist das bitte für ein schräger Film!?". Aber auch denen sei gesagt: es gibt mindesten zehn triftige Gründe, diesen Film zu lieben.

Michel Legrands grandioser Soundtrack
Quelle: http://eil.com
1. Die Musik von Michel Legrand. Der mittlerweile 81-jährige Jazzmusiker, Arrangeur, Komponist, Pianist, Songschreiber und passionierter Anekdoten-Erzähler Legrand hat oft und immer wieder mit Regisseur Jacques Demy gearbeitet. Die Filme der beiden wurden nicht, wie sonst im Kino üblich, von der Musik vollendet, sondern entstanden aus ihr. Seine Drehbücher, erinnert sich Demys ehemaliger Assistent Costa-Gavras schrieb er mit dem Metronom. Legrand hat - im Stile eines Stummfilmkomponisten - 87 Minuten Score komponiert. Jede einzelne Szene wird von seinen umwerfenden Melodien getragen. Und spätestens wenn Catherine Deneuve (auf die wir gleich noch gesondert zu sprechen kommen) alias Genevieve ihrem geliebten Guy voller Sehnsucht (obwohl er noch neben ihr sitzt) ewige Liebe verspricht, beginnt sich die Ganzkörper-Gänsehaut mit einer die Wange herunterkullernden Träne zu vermischen.

2. Die Farben. Man muss es gesehen haben, um es zu glauben. Allein die Tapeten - sagenhaft!

Man beachte: die Tapete!
Quelle: dvdklassik.com
3. Die Ausstattung. Hier stimmt alles, die Liebe zum Detail hat jeden einzelnen Gegenstand erreicht: die eben schon erwähnten Tapeten, die Kleider und Anzüge, die Frisuren, die Autos,  das gelbe Rennrad von Guy - all das ist auch 50 Jahre später noch sensationell gutaussehend. 

4. Die herzzerreißende und bitter-süße Liebesgeschichte. (Die ich im Einzelnen aber gar nicht verraten will - schaut euch den Film am Besten ohne großes inhaltliches Vorwissen an).

5. Catherine Deneuve. Sie wurde mal vom "Look"-Magazin zur schönsten Frau der Welt gewählt. Und wenn man ihre feinen Gesichtszüge, ihre großen Augen und ihren sehnsüchtigen Blick betrachtet, dann kann man das gut nachvollziehen. 20 Jahre war "die" Deneuve damals jung, dieser Film war ihr internationaler Durchbruch.


Catherine Deneuve
Quelle: http://www.8070.nl

6. Die Esso-Tankstellen-Szene. Perfekt choreographiert, genial gefilmt, Kloß-im-Hals-garantiert. (Nur gucken, wenn ihr den Rest des Films nicht sehen wollt, wär sonst schade drum).

7. Die Mischung aus überschwänglicher Freude, frischer Schmetterlinge-im-Bauch-Verliebtheit und tieftrauriger Verzweiflung und Sehnsucht. Musikalisch perfekt umgesetzt, immer glaubwürdig rübergebracht.


Was für ein Rennrad - damit kann
eigentlich nichts schiefgehen...
Quelle: dvdklassik.com
8. Der Gesang. Ja, er ist auf den ersten Blick komisch, weil ungewohnt. Aber spätestens wenn nach ein paar Film-Minuten die singenden Mechaniker sich über singende Menschen in der Oper amüsieren und deshalb lieber ins Kino gehen wollen (weil dort ja niemand singt), weiß man, dass der Film die problematische Frage "Warum singt denn hier jeder?" mit Selbstironie am besten beantwortet.

9. Das Drehbuch.  Jacques Demy hat es geschafft, ein paar wunderbar poetische Sätze in diesen Film zu schmuggeln. Einer lautet in etwa: "Das ganze Glück macht mich unglücklich." Ein anderer: "Die Sonne und der Tod reisen Hand in Hand". Kommt so allerdings nicht ganz so bewegend rüber. Klingt auf französisch und gesungen definitiv schöner.

10. Die Musik (oder hatte ich die schon?). Michel Legrand hat ein Meisterwerk geschaffen, so einfach ist das. 



Samstag, 10. August 2013

"Syl Johnson - Any Way The Wind Blows" ist finanziert - Doku über Soul-Geheimtipp


Die Doku über den Soul-Sänger Syl Johnson,
die Ende 2014 / Anfang 2015 fertig sein soll
Quelle: Okayplayer.com

Geschafft. Regisseur Robert Hatch-Miller kann seine bereits begonnene Dokumentation über Syl Johnson beenden. 40.000 Dollar waren das Minimalziel, letztlich wurden über die Kickstarter-Kampagne von insgesamt 832 Spendern 46.730 Dollar generiert (mit Hilfe einiger Ebay-Auktionen sind sogar alles in allem 47,325.75 Dollar zusammengekommen). 

"Anyway The Wind Blows", seine Dokumentation über einen der meistgesampleten und angesagtesten (wenn auch leider nur Insidern bekannten) Soulsänger aller Zeiten, dürfte also Ende nächsten Jahres (spätestens Anfang 2015) fertig sein. Run-DMC, Public Enemy, De La Soul, Boogie Down Productions, Cypress Hill, Jay-Z, Kanye West und der Wu-Tang Clan haben sich bei Syl Johnson bedient - und damit Syls Zuhause finanziert. Er selbst nennt seine Villa “The House That Wu-Tang Built.” 


Regisseur Robert Hatch-Miller
Quelle: kickstarter.com
Den aktuellen Stand der Produktion beschreiben die Filmemacher so: "The film is already taking shape. We’ve followed Syl Johnson in cinema verité style and witnessed the astounding recent developments in his career. In addition to an unprecedented level of access to Syl himself, the film will include interviews with the people close to him including his family, musical peers, and fans. We’ll also go back in time through archival footage and interviews to explain the larger cultural and political scene in America in the 60s and 70s, when Syl was at his artistic peak. He may still put on rocking live shows, but back then Syl was a force of nature!" 

Was noch fehlt sind: ein weiteres Interview mit Syl Johnson und Gespräche mit den Hip-Hop-Produzenten Prince Paul, Jazzy Jay und DJ Cool V (Produzent und DJ von Big Daddy Kane & Biz Markie). Außerdem müssen noch diverse Archive nach alten Aufnahmen durchwühlt werden, z.B. auf der Suche nach Syl's Auftritt bei "American Bandstand". 


Die beste Zeitschrift zum Thema
Black Culture: "Wax Poetics"
Quelle: waxpoetics.com
Wer schon vor der Fertigstellung des Films mehr über das aufregende Leben von Syl Johnson erfahren will, dem empfehle ich den informativen Artikel von Matt Rogers in der Wax Poetics #44 (der mit Abstand besten Zeitschrift zum Thema Black Music & Culture auf diesem Planeten) und natürlich die ultimative, allumfassende und mit einem aufschlussreichen Aufsatz angereicherte Syl Johnson Box auf Numero Group. Die New York Times schrieb zu diesem Mammut-Meisterwerk: “Complete Mythology” is exhaustive, even a bit excessive. The biggest and, at $75, most expensive product in the Numero Group’s six-year history, it has 52 pages of densely written liner notes and 81 songs recorded from 1959 to 1977." Und wenn man alle 52 Seiten gelesen und alle 81 Songs gehört hat, dann ist man wirklich bestens vorbereitet auf "Any Way The Wind Blows".

Montag, 5. August 2013

Vinyl Lovers (1): Florian Keller, Funk-Fan, DJ-Weltenbummler, Radiomacher, Plattensammler

Seit fast drei Jahrzehnten wühlt sich der Münchner Florian Keller durch Plattenkisten auf der Suche nach Funk-Fundstücken und Soulraritäten; seit fast zwei Jahrzehnten legt er neben DJ-Größen wie Gilles Peterson, Keb Darge, Kruder & Dorfmeister, Cut Chemist (von Jurassic 5) oder Questlove (von den Roots) in den angesagtesten Clubs weltweit auf - von Funk und Block Party Breaks über Boogie, Disco & Discorap bis hin zu Hip Hop und Drum'n'Bass. Der All Music Guide würdigt den umtriebigen Party-Veranstalter (Party Keller), Radiomacher und DJ mit folgenden Worten: "Like stateside contemporaries Theo Parrish, Danny Krivit, and Joe Claussell, Keller challenges his listeners, spinning curious, even cultish records from the past that are still relevant to present-day clubbers. He favors records with rhythms to die for, especially of the funk, fusion, electro, hip-hop, and post-disco varieties." 

Flo Keller: Vinyl-Sammler, DJ und Musikliebhaber
Quelle: Florian Keller
Ich freue mich sehr, dass Florian - trotz vieler anstehender Termine - die Zeit gefunden hat, mir ein paar Fragen zu sich und seiner Sammel-Leidenschaft zu beantworten:

Wann und wie bist du plattensüchtig geworden?
Eigentlich bin ich nicht plattensüchtig, sondern ich liebe Musik! Vinyl ist das Medium, mit dem ich großgeworden bin, sonst wären es wahrscheinlich CD’s, MP3 Dateien oder sonstwas geworden. Trotzdem bin ich sehr froh, dass es in meinem Fall doch Schallplatten sind, denn die Tonqualität, das Haptische und das Format des Covers samt Artwork und Rückseiten-Text (bei LP’s zumindest) machen Platten zu einer besseren Musik-Konserve als die anderen... Der einzige Bereich, bei dem ich gewisses Sucht-Verhalten an den Tag lege, ist bei James Brown: Da kaufe ich wirklich, der Vollständigkeit halber, sogar Platten, die ich im Grunde genommen gar nicht so toll finde.

Was war deine erste Platte?
Beatles, Weisses Album, mit 5 Jahren vom eigenen Taschengeld und 50% Zuschuss meiner Mama gekauft.

Wie viele Platten hast du insgesamt?
Gut 45 Meter Vinyl, das in den Regalen und Hängeaktenregistraturen steht, das sind dann so ca. 10.000 – 12.000 Stück.

Was ist deine rarste/teuerste Platte? Und welche Platte bedeutet dir am Meisten?
Die wahrscheinlich teuerste Platte bin ich schon längst los, “Ebony Rhythm Band” – “Soul Heart Transplant” hat ein Kollege, Ian Wright, mir gegen 7 andere Singles getauscht, 4 davon hatte er bereits und für die anderen hatte er 2000 englische Pfund ausgegeben. Das war in den hysterischsten Tagen der Deep Funk Sammelei, Preise kommen und gehen. Wenn ich nachsehen würde, wäre momentan bestimmt irgendeine Platte aus Ghana oder eine Sweet Soul Obskurität in meinen Schränken überraschend die teuerste, in ein paar Jahren dann wohl irgendeine Hip Hop 7” Single. Mit viel Zeit könnte ich die 50 Platten, die mir am meisten bedeuten, heraussuchen, und die wären am nächsten Tag dann schon wieder andere. Sorry, es sind so viele, die ich schliesslich ja alle schätze, sonst hätte ich sie nicht.

Deine Top 10 aus deiner Plattensammlung
Selbstverständlich gibt es Platten, die qualitativ in einer komplett anderen Dimension schweben, wie z.B. "Attica Blues" von Archie Shepp, Marvin Gayes’ "What’s Going On" oder Webster Lewis’ "1971er Live in Norwegen"-Aufnahme, aber es sind meistens die letzten, tollen Neuentdeckungen, die ich ergattern konnte und Wiederentdeckungen aus meiner Sammlung. Dauernd wechselnd und momentan:

Black Stash – Mighty Love Man (Contempo 7”)
Lo-End - Le Beat (New World Records 7”)
Colt Revolver – In The Bottle (Big Jim 7”)
Lonnie Love – Young Ladies (Profile 7”)
Bilaian Express – Philly (LK 7”)
Margie Hendricks – Jim Dandy (Sound Stage 7 7”)
Warren Thompson - You Can't Hinder Me (Blue Candle 7”)
Manny Corchado - Pow Wow (Decca 7")
Bunny Wailer – Back To School (Solomon 7”)

Beschreib doch mal deine Sammlung in 3-5 Worten
Funk, open minded, von Jazz bis D&B.

Wo hast du schon aufgelegt / wo bist du regelmäßig zu hören?
Mme Jojos, Deep Funk or WahWah in London, Ellbow Rooms in San Francisco, Doin' It in Oslo, Sochi in St. Petersburg, IBO in Dubai, Raw Fusion in Stockholm, Powderrooms in Barcelona, Beat im Nefertiti in Gothenburg or Funk Against Junk in Minsk, in Beirut, Porto, Zagreb, Osaka, Timoswara, Helsinki, Kiev, Tokyo, Ekaterinenburg, die Liste ist lang...

Welcher Club/welche Location war für dich am Beeindruckendsten?
Es gab einen total angesagten Club in Osaka, wo ausser mir bereits Dj Spinna, Jazzanova und viele andere aufgelegt hatten – in den nur ca 30 Personen passen (!), oder im Haus Der Kunst München vor ca 2000 Leuten zur Frank Stella Vernissage Jazz aufzulegen. Und viele andere Momente in den 27 Jahren, in den ich jetzt professionell auflege.
Aber in letzter Zeit hat mich einerseits die Terrasse des Hotels “The Adress Downtown Dubai” (nicht gerade nur positiv) beeindruckt, wo ich seit einigen Jahren an Sylvester auflege, denn es ist Babylonisch und dekandent, dass die Wände wackeln, weil dort die königliche Familie alljährlich die Sau rauslässt, russische Oligarchensöhnchen mit Edelnutten 40-Euro teure Vodka-Bulls reinziehen und alles eben reichlich surreal ist. Andererseits, und das ist natürlich das wirklich wichtige! beeindrucken mich Clubs mit guter Atmosphäre, guter Anlage und einem Publikum, das sich auf etwas einlassen kann und will, anstatt mit Konsumhaltung und nicht gerade positiver Grund-Laune auszugehen, um sich bespaßen zu lassen. Hierbei sind z.B. "What The Funk" im Nouveau Casino, Paris, "Stricktly Niceness" in Brüssel, "Beat!" im Nefertiti in Göteburg und das "Marula" in Barcelona: echt beeindruckend.

Wo gehst du auf Platten-Suche (Internet/bestimmte Läden/Flohmarkt etc.)?
90% ebay, 10% Plattenläden, wenn ich unterwegs bin, super ist es in Belgien und Frankreich.

Hast du eine Lieblings-Internetseite zum Thema Musik?

Was war dein skurrilstes/schrägstes Plattenerlebnis (beim Plattenkaufen/-auflegen)?
Das muss in Val Shiveley’s 45 Centre in Philadelphia gewesen sein, Ende der 90er Jahre, als ich mit meinem Kollegen & Freund Jan Weissenfeldt (Poets Of Rhythm) 8 Tage am Stück, täglich von 10:00 bis 20:00 Uhr, diesen 3 Millionen Singles schweren Laden durchackerte. Wir waren auf der Suche nach raren Indpendent-Funk 45’s, non-stop auf der Suche nach Singles mit möglichst unprofessionell gestaltetem, einfarbigen Label, denn so sehen selbst billig produzierte Funk-Juwelen meistens aus. Leider ist es genau dasselbe bei Country, Rock, Doo Wop oder Singer-Songwriter-Platten. Also haben wir pro Stunde locker 50 bis 100 Lieder, 10 Stunden am Tag, 8 Tage lang auf meinem Batteriebetriebenen Mini-Plattenspieler angehört, also wirklich viel obskure Platten in den Händen gehalten. Irgendwann dann hatte ich plötzlich eine Single von der Band “The Five Shits” in der Hand, ein grosser Lacher. Damit bin ich zu Val, dem Ladenbesitzer, um ihm zu zeigen, was er da für einen tollen Schwachsinn im Inventar hat. Der ist dann total ausgeflipt vor Glück und hat allen Mitarbeitern und Kunden im Laden die Platte gezeigt, weil er als Teenie Mitglied eben jener Five Shits war.

Mit wem würdest Du gerne mal Abendessen gehen (lebende oder bereits gestorbene Personen)

Wo kann man deine Mixe hören?

Vielen Dank für deine Zeit und die vielen Inspirationen!