Montag, 5. August 2013

Vinyl Lovers (1): Florian Keller, Funk-Fan, DJ-Weltenbummler, Radiomacher, Plattensammler

Seit fast drei Jahrzehnten wühlt sich der Münchner Florian Keller durch Plattenkisten auf der Suche nach Funk-Fundstücken und Soulraritäten; seit fast zwei Jahrzehnten legt er neben DJ-Größen wie Gilles Peterson, Keb Darge, Kruder & Dorfmeister, Cut Chemist (von Jurassic 5) oder Questlove (von den Roots) in den angesagtesten Clubs weltweit auf - von Funk und Block Party Breaks über Boogie, Disco & Discorap bis hin zu Hip Hop und Drum'n'Bass. Der All Music Guide würdigt den umtriebigen Party-Veranstalter (Party Keller), Radiomacher und DJ mit folgenden Worten: "Like stateside contemporaries Theo Parrish, Danny Krivit, and Joe Claussell, Keller challenges his listeners, spinning curious, even cultish records from the past that are still relevant to present-day clubbers. He favors records with rhythms to die for, especially of the funk, fusion, electro, hip-hop, and post-disco varieties." 

Flo Keller: Vinyl-Sammler, DJ und Musikliebhaber
Quelle: Florian Keller
Ich freue mich sehr, dass Florian - trotz vieler anstehender Termine - die Zeit gefunden hat, mir ein paar Fragen zu sich und seiner Sammel-Leidenschaft zu beantworten:

Wann und wie bist du plattensüchtig geworden?
Eigentlich bin ich nicht plattensüchtig, sondern ich liebe Musik! Vinyl ist das Medium, mit dem ich großgeworden bin, sonst wären es wahrscheinlich CD’s, MP3 Dateien oder sonstwas geworden. Trotzdem bin ich sehr froh, dass es in meinem Fall doch Schallplatten sind, denn die Tonqualität, das Haptische und das Format des Covers samt Artwork und Rückseiten-Text (bei LP’s zumindest) machen Platten zu einer besseren Musik-Konserve als die anderen... Der einzige Bereich, bei dem ich gewisses Sucht-Verhalten an den Tag lege, ist bei James Brown: Da kaufe ich wirklich, der Vollständigkeit halber, sogar Platten, die ich im Grunde genommen gar nicht so toll finde.

Was war deine erste Platte?
Beatles, Weisses Album, mit 5 Jahren vom eigenen Taschengeld und 50% Zuschuss meiner Mama gekauft.

Wie viele Platten hast du insgesamt?
Gut 45 Meter Vinyl, das in den Regalen und Hängeaktenregistraturen steht, das sind dann so ca. 10.000 – 12.000 Stück.

Was ist deine rarste/teuerste Platte? Und welche Platte bedeutet dir am Meisten?
Die wahrscheinlich teuerste Platte bin ich schon längst los, “Ebony Rhythm Band” – “Soul Heart Transplant” hat ein Kollege, Ian Wright, mir gegen 7 andere Singles getauscht, 4 davon hatte er bereits und für die anderen hatte er 2000 englische Pfund ausgegeben. Das war in den hysterischsten Tagen der Deep Funk Sammelei, Preise kommen und gehen. Wenn ich nachsehen würde, wäre momentan bestimmt irgendeine Platte aus Ghana oder eine Sweet Soul Obskurität in meinen Schränken überraschend die teuerste, in ein paar Jahren dann wohl irgendeine Hip Hop 7” Single. Mit viel Zeit könnte ich die 50 Platten, die mir am meisten bedeuten, heraussuchen, und die wären am nächsten Tag dann schon wieder andere. Sorry, es sind so viele, die ich schliesslich ja alle schätze, sonst hätte ich sie nicht.

Deine Top 10 aus deiner Plattensammlung
Selbstverständlich gibt es Platten, die qualitativ in einer komplett anderen Dimension schweben, wie z.B. "Attica Blues" von Archie Shepp, Marvin Gayes’ "What’s Going On" oder Webster Lewis’ "1971er Live in Norwegen"-Aufnahme, aber es sind meistens die letzten, tollen Neuentdeckungen, die ich ergattern konnte und Wiederentdeckungen aus meiner Sammlung. Dauernd wechselnd und momentan:

Black Stash – Mighty Love Man (Contempo 7”)
Lo-End - Le Beat (New World Records 7”)
Colt Revolver – In The Bottle (Big Jim 7”)
Lonnie Love – Young Ladies (Profile 7”)
Bilaian Express – Philly (LK 7”)
Margie Hendricks – Jim Dandy (Sound Stage 7 7”)
Warren Thompson - You Can't Hinder Me (Blue Candle 7”)
Manny Corchado - Pow Wow (Decca 7")
Bunny Wailer – Back To School (Solomon 7”)

Beschreib doch mal deine Sammlung in 3-5 Worten
Funk, open minded, von Jazz bis D&B.

Wo hast du schon aufgelegt / wo bist du regelmäßig zu hören?
Mme Jojos, Deep Funk or WahWah in London, Ellbow Rooms in San Francisco, Doin' It in Oslo, Sochi in St. Petersburg, IBO in Dubai, Raw Fusion in Stockholm, Powderrooms in Barcelona, Beat im Nefertiti in Gothenburg or Funk Against Junk in Minsk, in Beirut, Porto, Zagreb, Osaka, Timoswara, Helsinki, Kiev, Tokyo, Ekaterinenburg, die Liste ist lang...

Welcher Club/welche Location war für dich am Beeindruckendsten?
Es gab einen total angesagten Club in Osaka, wo ausser mir bereits Dj Spinna, Jazzanova und viele andere aufgelegt hatten – in den nur ca 30 Personen passen (!), oder im Haus Der Kunst München vor ca 2000 Leuten zur Frank Stella Vernissage Jazz aufzulegen. Und viele andere Momente in den 27 Jahren, in den ich jetzt professionell auflege.
Aber in letzter Zeit hat mich einerseits die Terrasse des Hotels “The Adress Downtown Dubai” (nicht gerade nur positiv) beeindruckt, wo ich seit einigen Jahren an Sylvester auflege, denn es ist Babylonisch und dekandent, dass die Wände wackeln, weil dort die königliche Familie alljährlich die Sau rauslässt, russische Oligarchensöhnchen mit Edelnutten 40-Euro teure Vodka-Bulls reinziehen und alles eben reichlich surreal ist. Andererseits, und das ist natürlich das wirklich wichtige! beeindrucken mich Clubs mit guter Atmosphäre, guter Anlage und einem Publikum, das sich auf etwas einlassen kann und will, anstatt mit Konsumhaltung und nicht gerade positiver Grund-Laune auszugehen, um sich bespaßen zu lassen. Hierbei sind z.B. "What The Funk" im Nouveau Casino, Paris, "Stricktly Niceness" in Brüssel, "Beat!" im Nefertiti in Göteburg und das "Marula" in Barcelona: echt beeindruckend.

Wo gehst du auf Platten-Suche (Internet/bestimmte Läden/Flohmarkt etc.)?
90% ebay, 10% Plattenläden, wenn ich unterwegs bin, super ist es in Belgien und Frankreich.

Hast du eine Lieblings-Internetseite zum Thema Musik?

Was war dein skurrilstes/schrägstes Plattenerlebnis (beim Plattenkaufen/-auflegen)?
Das muss in Val Shiveley’s 45 Centre in Philadelphia gewesen sein, Ende der 90er Jahre, als ich mit meinem Kollegen & Freund Jan Weissenfeldt (Poets Of Rhythm) 8 Tage am Stück, täglich von 10:00 bis 20:00 Uhr, diesen 3 Millionen Singles schweren Laden durchackerte. Wir waren auf der Suche nach raren Indpendent-Funk 45’s, non-stop auf der Suche nach Singles mit möglichst unprofessionell gestaltetem, einfarbigen Label, denn so sehen selbst billig produzierte Funk-Juwelen meistens aus. Leider ist es genau dasselbe bei Country, Rock, Doo Wop oder Singer-Songwriter-Platten. Also haben wir pro Stunde locker 50 bis 100 Lieder, 10 Stunden am Tag, 8 Tage lang auf meinem Batteriebetriebenen Mini-Plattenspieler angehört, also wirklich viel obskure Platten in den Händen gehalten. Irgendwann dann hatte ich plötzlich eine Single von der Band “The Five Shits” in der Hand, ein grosser Lacher. Damit bin ich zu Val, dem Ladenbesitzer, um ihm zu zeigen, was er da für einen tollen Schwachsinn im Inventar hat. Der ist dann total ausgeflipt vor Glück und hat allen Mitarbeitern und Kunden im Laden die Platte gezeigt, weil er als Teenie Mitglied eben jener Five Shits war.

Mit wem würdest Du gerne mal Abendessen gehen (lebende oder bereits gestorbene Personen)

Wo kann man deine Mixe hören?

Vielen Dank für deine Zeit und die vielen Inspirationen! 

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