Dienstag, 20. August 2013

Must-See Movies (1) Warum "Die Regenschirme von Cherbourg" speziell, aber auch sensationell ist


Ja, dieser Film ist speziell; er sieht aus wie eine Packung knallbunter Bonbons und jeder noch so banale Dialogsatz wird gesungen! Aber wer sich auf diese ganz besonderen 90 Minuten einlässt und wenigstens ein bisschen oder sogar hoffnungslos romantisch veranlagt ist, der wird diesen Film lieben! 

Filmplakat
Quelle: http://memoires-algeriennes.com
"Die Regenschirme von Cherbourg" ist einmalig, so viel steht fest. Und muss für das Publikum vor 50 Jahren eine Überraschung, vielleicht sogar eine kleine Revolution gewesen sein. Regisseur Jacques Demy bietet uns einen Rausch an Pastellfarben und Komponist Michel Legrand einen Rausch melancholischer Melodien - und beide verleihen damit dem Alltäglichen ungeahnte Anmut. Dieser Film ist ein Unikat, ein Mischmasch, er ist weder Musical noch Film-Oper; vielleicht trifft Francois Truffauts Behauptung noch am ehesten zu - er nannte "Die Regenschirme von Cherbourg" einen Science-Fiction-Film.

Auf der einen Seite gewann er damals die Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes; auf der anderen Seite hagelte es Kritik: von bundesdeutschen (vermeintlichen) Niveaubewahrer-Nörglern, die in Demys radikalem Romantik-Reigen einen Ausverkauf der Nouvelle Vague sahen; und von ostdeutschen Betonköpfen, die im Kino protestierten, man solle sich solchen "Kitsch" nicht bieten lassen. 

Ich habe vollstes Verständnis für diejenigen, die sagen: "Was ist das bitte für ein schräger Film!?". Aber auch denen sei gesagt: es gibt mindesten zehn triftige Gründe, diesen Film zu lieben.

Michel Legrands grandioser Soundtrack
Quelle: http://eil.com
1. Die Musik von Michel Legrand. Der mittlerweile 81-jährige Jazzmusiker, Arrangeur, Komponist, Pianist, Songschreiber und passionierter Anekdoten-Erzähler Legrand hat oft und immer wieder mit Regisseur Jacques Demy gearbeitet. Die Filme der beiden wurden nicht, wie sonst im Kino üblich, von der Musik vollendet, sondern entstanden aus ihr. Seine Drehbücher, erinnert sich Demys ehemaliger Assistent Costa-Gavras schrieb er mit dem Metronom. Legrand hat - im Stile eines Stummfilmkomponisten - 87 Minuten Score komponiert. Jede einzelne Szene wird von seinen umwerfenden Melodien getragen. Und spätestens wenn Catherine Deneuve (auf die wir gleich noch gesondert zu sprechen kommen) alias Genevieve ihrem geliebten Guy voller Sehnsucht (obwohl er noch neben ihr sitzt) ewige Liebe verspricht, beginnt sich die Ganzkörper-Gänsehaut mit einer die Wange herunterkullernden Träne zu vermischen.

2. Die Farben. Man muss es gesehen haben, um es zu glauben. Allein die Tapeten - sagenhaft!

Man beachte: die Tapete!
Quelle: dvdklassik.com
3. Die Ausstattung. Hier stimmt alles, die Liebe zum Detail hat jeden einzelnen Gegenstand erreicht: die eben schon erwähnten Tapeten, die Kleider und Anzüge, die Frisuren, die Autos,  das gelbe Rennrad von Guy - all das ist auch 50 Jahre später noch sensationell gutaussehend. 

4. Die herzzerreißende und bitter-süße Liebesgeschichte. (Die ich im Einzelnen aber gar nicht verraten will - schaut euch den Film am Besten ohne großes inhaltliches Vorwissen an).

5. Catherine Deneuve. Sie wurde mal vom "Look"-Magazin zur schönsten Frau der Welt gewählt. Und wenn man ihre feinen Gesichtszüge, ihre großen Augen und ihren sehnsüchtigen Blick betrachtet, dann kann man das gut nachvollziehen. 20 Jahre war "die" Deneuve damals jung, dieser Film war ihr internationaler Durchbruch.


Catherine Deneuve
Quelle: http://www.8070.nl

6. Die Esso-Tankstellen-Szene. Perfekt choreographiert, genial gefilmt, Kloß-im-Hals-garantiert. (Nur gucken, wenn ihr den Rest des Films nicht sehen wollt, wär sonst schade drum).

7. Die Mischung aus überschwänglicher Freude, frischer Schmetterlinge-im-Bauch-Verliebtheit und tieftrauriger Verzweiflung und Sehnsucht. Musikalisch perfekt umgesetzt, immer glaubwürdig rübergebracht.


Was für ein Rennrad - damit kann
eigentlich nichts schiefgehen...
Quelle: dvdklassik.com
8. Der Gesang. Ja, er ist auf den ersten Blick komisch, weil ungewohnt. Aber spätestens wenn nach ein paar Film-Minuten die singenden Mechaniker sich über singende Menschen in der Oper amüsieren und deshalb lieber ins Kino gehen wollen (weil dort ja niemand singt), weiß man, dass der Film die problematische Frage "Warum singt denn hier jeder?" mit Selbstironie am besten beantwortet.

9. Das Drehbuch.  Jacques Demy hat es geschafft, ein paar wunderbar poetische Sätze in diesen Film zu schmuggeln. Einer lautet in etwa: "Das ganze Glück macht mich unglücklich." Ein anderer: "Die Sonne und der Tod reisen Hand in Hand". Kommt so allerdings nicht ganz so bewegend rüber. Klingt auf französisch und gesungen definitiv schöner.

10. Die Musik (oder hatte ich die schon?). Michel Legrand hat ein Meisterwerk geschaffen, so einfach ist das. 



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